Unmittelbar vor dem Treffen
der EU-Außenminister und dem Besuch von Ministerpräsident Arseni
Jazenjuk am Montag in Brüssel nehmen die Spannungen zwischen der Ukraine
und der Europäischen Union über den richtigen Umgang mit Russland zu.
Mitte
dieser Woche will die EU das bereits bestehende Investitionsverbot für
die von Russland annektierte Krim ausweiten und ein "umfassendes
Exportverbot" für Waren beschließen, wodurch vor allem die weitere
Exploration von Öl, Gas und Mineralien verhindert werden soll.
Der
Regierung in Kiew reicht das nicht. Sie hält die Beschlüsse für eine
"symbolische Aktion". Es müssten "härtere Sanktionen" gegen Russland
verhängt werden, darunter "ein Ausschluss Russlands aus dem
internationalen Zahlungssystem Swift". "Die EU hat keine Vision über den
Umgang mit Russland, es fehlt eine Strategie. Das ist ein großes
Problem", sagte der Botschafter der Ukraine bei der EU, Konstantin
Jelissejew.
Die EU will Poroschenko nicht empfangen
Damit
nicht genug. Der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko will am
Donnerstag dieser Woche nach Brüssel reisen, um die dort versammelten
Staats- und Regierungschefs über die neuesten Entwicklungen in der
Ukraine zu informieren. Aber die EU will Poroschenko nicht empfangen. Es
gebe keinen Anlass für ein solches Treffen. "Herr Poroschenko kann sich
über eine mangelnde Aufmerksamkeit der EU nicht beschweren. Jetzt passt
ein Besuch nicht", sagte der Botschafter eines wichtigen EU-Landes.
Hintergrund
sind offenbar Befürchtungen, ein Treffen mit Poroschenko könne dem
Dialog mit Russlands Präsident Wladimir Putin über eine Entschärfung der
Ukraine-Krise und der Umsetzung einer nachhaltigen Waffenruhe schaden
und möglicherweise auch die internen Spannungen innerhalb der Union über
den richtigen Umgang mit Moskau verschärfen.
Hinter
den Kulissen gibt es gegenseitige Vorwürfe. EU-Diplomaten verweisen
darauf, dass Poroschenko bereits im Juni und August von den EU-Spitzen
in Brüssel empfangen worden wäre. Die Regierung in Kiew wiederum führt
an, dass Putin beim G-20-Gipfel in Brisbane Mitte November ausführlich
Gelegenheit erhalten habe, seine Sicht der Dinge vor den Spitzen der
führenden Industrienationen darzulegen.
Kiew fürchtet eine Aufweichung der europäischen Linie
Kiew
stört zudem, dass die Europäer gegenüber Russland verbal abrüsten. Die
Annektion der Krim und die Infiltration der Ostukraine durch reguläre
russische Truppen mit schwerem Gerät würden vom Westen nicht mehr
ausreichend als "Akt der Aggression" dargestellt, hieß es.
Dennoch
arbeiten beide Seiten weiter eng zusammen. Die EU-Außenbeauftragte
Federica Mogherini will Jazenjuk am Montagabend klarmachen, dass die EU
bereit ist, noch mehr Geld in die Ukraine zu pumpen. Voraussetzung sei
allerdings, dass Kiew politische und wirtschaftliche Reformen
energischer als bisher vorantreibt.
Die
Außenminister wiederum wollen auch über humanitäre Hilfen beraten.
Dabei geht es insbesondere um die heikle Frage, inwieweit die Europäer
wegen des kalten Winters Notunterkünfte in der Ostukraine und den
angrenzenden Gebieten unterstützen wollen.
Die Ukraine braucht noch einmal 15 Milliarden Dollar
Derweil
wird die wirtschaftliche Situation der Ukraine immer prekärer. Das Land
befindet sich in einer tiefen Rezession, die Zentralbankreserven sind
beinahe aufgebraucht, die Währung verfällt, und es droht ein
Staatsbankrott. Die Regierung hat ein Sparprogramm angekündigt, das zu
weiteren sozialen Spannungen führen dürfte: Es drohen weitere
Massenentlassungen im öffentlichen Dienst und höhere Gaspreise, weil die
staatliche Unterstützung bei der Abgabe des teuren Importgases aus
Russland reduziert wird.
Die
Ukraine braucht noch einmal kurzfristig rund 15 Milliarden Dollar
frisches Geld. Dabei hatte der Internationale Währungsfonds (IWF)
bereits einen Kredit von 17 Milliarden Dollar bis Anfang 2016 zugesagt,
wovon 4,6 Milliarden Dollar bereits ausgezahlt worden sind. Auch die
Europäer unterstützen die Ukraine mit Milliardenhilfen. Aber das Geld
reicht bei Weitem nicht aus. Ministerpräsident Jazenjuk fordert deshalb
eine internationale Geberkonferenz für die Ukraine.
Aber
was passiert mit den Milliarden? Versickern sie im Sumpf der
Korruption? Werden sie jemals auch nur annähernd zurückgezahlt? Schon
das bestehende IWF-Programm hätte eigentlich so niemals gewährt werden
dürfen. Die sogenannte Schuldentragfähigkeit ist im Fall der Ukraine
nicht gegeben, es sind mehr Mittel gewährt worden, als die üblichen
IWF-Quoten vorsehen, und eine Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen
innerhalb von zwölf Monaten ist ebenfalls nicht absehbar. Dennoch hat
die internationale Staatengemeinschaft beide Augen zugedrückt – und sie
wird dies auch weiterhin tun. Allen ist klar: Die Ukraine wird für den
Westen sehr teuer werden
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